Diesmal haben wir uns der Frage gewidmet, was eigentlich das Gender-* für uns bedeutet. Das Ergebnis ist ein intensiver Austausch über die „Gleichberechtigung“ von Männern und Frauen mit der Erkenntnis, dass es sich auch bei dem Thema lohnt, nachzufragen und genau hinzuhören.
Hallo ihr beiden,
ihr kennt mich ja recht gut und wisst vermutlich, dass das Thema „Gleichberechtigung“ der Geschlechter nicht so meins ist, aber in letzter Zeit kommt es aus so vielen Ecken bei mir vorbei, dass es für mich an der Zeit zu sein scheint, mich mit dem Thema und seiner Relevanz für mich auseinander zu setzen. Daher möchte ich die Gelegenheit ergreifen, einen Teil meiner Gedanken mit euch zu teilen, die euer Podcast in mir ausgelöst hat – und sie sind durchaus auch überraschend für mich.
Bei eurem Gespräch über den Sprachgebrauch habt ihr die Beziehung zwischen Sender und Empfänger in den Mittelpunkt gestellt. Und dass, wenn wir einander gut kennen und uns der Achtung unseres Gegenübers gewiss sind, die einfachere männliche Sprachform kein Problem sei. Was die Beziehung angeht, bin ich voll bei euch.
Was das Gesellschaftsthema angeht… Nun ja, hier kommt jetzt die Frau, die bisher immer gesagt hat, lasst das Gewese und nehmt die einfachere männliche Form und gut ist, und ändert ihre Meinung. Was Sprache auch tut; sie erschafft Bilder in unseren Köpfen, die wir abspeichern und die zu unseren Erinnerungen werden. Und mein Kopf ist voll von Bilder, von denen bestimmt 90% Kontexte zeigen, in denen Männern die Hauptfigur sind.
Besonders deutlich wird das für mich, wenn ich englische Texte lese, die ja keine weibliche Form kennen und wo ich immer wieder, wenn das erste ’she‘ auftaucht bei mir ein überraschtes „Ach, das ist eine Frau.“ einstellt. Umgekehrt passiert mir das nie. Und ich vermute mal, das geht nicht nur mir so.
Und das bringt mich zu zweiten Punkt: Es ist garantiert nicht der einzige Grund, aber es trägt sicher etwas dazu bei. Wenn die relevanten Akteure in meinem Kopf fast alle Männer sind, dann kommt es mir als Frau nicht natürlich, dass ich davon ausgehe, dass ich der Welt einen relevanten Beitrag zu bieten habe. Und ich spreche hier gerade nicht einmal von Chefetagen. Ja, in meinem Kopf ist der Chefarzt ein Mann, aber auch der Postbote ein Mann, der Lehrer ein Mann, der Bäcker ein Mann, der Busfahrer ein Mann, der Straßenkehrer ein Mann, der Schneider ein Mann, …
Die einzigen Frauen in meinem Kopf sind Kindergärtnerinnen, Krankenschwestern und die Frauen, denen ich tatsächlich begegnet bin, sowie weibliche Figuren aus Geschichten. Ihr hattet das Beispiel deiner Therapeutin, Anna-Lena. Aber irgendein Therapeut ist sehr wahrscheinlich wieder ein Mann. Ich beginne mal in meinem Kopf aufzuräumen und meine Sprache umzustellen. Erst einmal auf weiblich.
Zu dem Rettenaspekt habe ich auch noch ein paar Gedanken, aber es ist spät und ich mag ins Bett. Außerdem rede ich darüber lieber persönlich mit Dir, Ilja.